[Tustep-Liste] Quo vadis?
Giorgio Giacomazzi
giorgio at giacomazzi.de
Do Mai 13 13:03:13 CEST 2004
Lieber Herr Schälkle,
ich zögere, auf Ihre Mail zum Import von Word-Dateien zu antworten, weil
die ausstehende Klärung bei den TUSTEP-Lizenzen und TUSTEP-Rechten für
mich die Voraussetzung eines neuen Engagements in der Sache ist.
Doch schon die Mitteilung, daß ein wenn nicht der Hauptentwickler von
TUSTEP Word auf die Festplatte installiert hat, ist ein Ereignis, das
nicht ganz untergehen darf. Zumal in Verbindung mit der Mitteilung, daß
inzwischen der Aufwand für eine Weiterpflege der Linux-Version von
TUSTEP gescheut wird (nach Herrn Willjungs Mail vom 7.5.2004). Wird der
viel grösserer Aufwand für den Word-Import nicht gescheut? Oder wer
trifft hier so fragwürdige Entscheidungen?
Ich will aber keine Einzelentscheidungen thematisieren, sondern die
Grundrichtung der Entwicklung von TUSTEP.
Warum, wenn es um Word geht, setzen Sie nicht auf ein Tool, das auch
Sterbliche einsetzen können, sondern auf eine neue Skriptsprache, die
zwar wunderschön ist, aber vielleicht 10 Leute kennen und 5 produktiv
einsetzen? Über die es (wie bei allen wichtigen Teilen von TUSTEP) keine
einführende Literatur gibt? Vor allem aber eine Skriptsprache, über die
grundsätzliche Unklarheit herrscht, ob sie als "neues
Programmierkonzept" das alte KOPIERE ablöst oder zusätzlich zu KOPIERE
gelernt werden sollte. - Ein Exkurs am Rande. Anfang des Jahres hatte
Herr Trauth mehrere spannende TUSTEP-Kurse für den Sommer zur Auswahl
angeboten. KOPIERE fand Resonanz, die Makrosprache leider nicht. Wenn
die besten TUSTEP-Köpfe sich nicht artikulieren und zeigen können, wohin
es sich lohnt zu investieren, werden Ihre persönliche Verdienste um die
Makrosprache vergeblich sein. Nach meiner einzigen intensiven Erfahrung
mit KOPIERE und XML vor vier Jahren, mache ich jedenfalls einen breiten
Bogen um KOPIERE, wenn es nur geht. Es wundert mich, daß ausgerechnet
Sie als Schöpfer der Makrosprache es mit KOPIERE versucht haben, das von
Baumstrukturen nicht mal einen Schimmer hat. Allerdings meine ich echtes
XML, nicht das hier übliche <autor>...</autor> <titel>...</titel>
<jahr>...</jahr>.
Kann sich eine kleine Gemeinde zwei konkurrierende Programmierkonzepte
leisten? Warum anstatt immer wieder neue proprietäre Lösungen zu
entwicklen, integrieren Sie nicht eine weitverbreitete Skriptsprache in
TUSTEP? (Mein Vorschlag: python).
Warum bietet TUSTEP nicht wie jedes vernünftige Framework und jede
grössere Applikation eine Programmierschnittstelle, so daß auch andere
Entwickler die TUSTEP-Funktionalität unkompliziert nutzen können? Sind
die unerwünscht?
Warum programmieren Sie in TUSTEP einen halben XML-Parser, die Anweisung
zum Suchen und Prüfen von Tags im Editor, anstatt einen vollwertigen
Parser zu integrieren? (Mein Vorschlag: libxml)
Wie wäre es, wenn das Dateiformat von TUSTEP so dokumentiert würde, daß
man TUSTEP-Dateien ohne die originelle TUSTEP-Software lesen kann?
Einflußreiche Professoren glauben immer noch, daß TUSTEP die Daten in
ASCII-Format speichert. Versuchen Sie liebe TUSTEP-Nutzer mit einem
normalen Editor wie Notepad eine TUSTEP-Datei zu öffnen.
Könnten Sie Beispielcode zur Verfügung stellen, wie man TUSTEP-Dateien
lesen (parsen) und schreiben kann? Das böse Microsoft bietet Software
Development Kits für RTF, Word-XML, Excel usw. Steht dem ausgerechnet
bei TUSTEP etwas entgegen?
Warum werden Interessenten an VERGLEICHE gezwungen, ein komplettes
TUSTEP zu lizenzieren, zu installieren, zum Import der Dateien in
TUSTEP, dabei zur Umbenennung auf allen Betriebssystemen legalen
Dateinamen gemäß völlig veralteter TUSTEP-Konventionen, anstatt daß Ihr
grossartiges VERGLEICHE wie jedes andere diff-Tool bei Bedarf verwendet
werden kann?
Kurz: Warum programmieren Sie bei TUSTEP das Rad immer neu, und zwar in
einer Weise, die für den Rest der Welt kaum brauchbar ist? Der Rest der
Welt wird sich für TUSTEP so lange nicht interessieren, wie TUSTEP sich
für den Rest der Welt nicht interessiert.
Was aber die Verbesserung der XML-Unterstützung in TUSTEP angeht, sehe
ich nicht, was das mit Word zu tun hat. Solche XML-Unterstützung sollte
in TUSTEP erst eingebaut werden, und das geht ein wenig über die
Unterstützung von Spitzklammermakros im Satzprogramm hinaus.
Sie ist ebenso überfällig wie die Neuentwicklung des Satzprogramms
selbst, das längst an seine Grenzen gestossen ist. Eine kleine
anspruchslose Anregung en passant: Könnten Sie die Leerzeichenplage
beseitigen? Ich meine jene chronische Unklarheit darüber, ob man vor und
nach einer Satzanweisung ein Leerzeichen einfügen darf bzw. einfügen
muß, was ständig dazu zwingt das Handbuch oder die Hilfe zu konsultieren.
Es bleibt also in TUSTEP auch ohne Word viel zu tun.
Mit besten Grüßen,
Giorgio Giacomazzi
Mehr Informationen über die Mailingliste Tustep-Liste